P//REVIEW: Unser Beitrag zur Ausgabe "Das Ei"

Über das Ei

Auf den ersten Blick scheint es banal und in seinem Prototyp als Hühnerei schrecklich eintönig. Rührei, Spiegelei - einfach zubereitet. Geht schnell.

Und doch vermag das Ei viel über uns Menschen auszusagen, sozusagen unsere Marke offenzulegen. Denn bekanntermaßen mag jeder sein Ei anders:

Sie mag hartgekochte Eier – kommt eben vom Joggen, muss gleich zum Yoga, wenig Zeit, gönnt sich nichts – außer Botox um ihr Äußeres der inneren Starre anzupassen.

Er bestellt sein Omelett mit genauen Anweisungen zum Anteil von Paprika und Zwiebeln, dem Salzgehalt und Konsistenzgrad. Man übt sich in Führungskompetenz für das nächste Entwicklungsgespräch.

Das ältere Pärchen ordert Ei Benedicte. Feiert den Renteneintritt und sucht neue Quellen des Glücks in dem es den alltäglichen Dingen seine besondere Aufmerksamkeit schenkt.

Und der Pubertierende im Geiste hat ob der vermeintlichen Anzüglichkeit, die in dem Plural des Eis liegt, immer einen Kalauer parat, den er bei der Eiersuche zu Ostern zum Besten gibt …

Apropos Ostern. Wenn wir versuchen, das Ei auszupusten und schön zu bemalen, bemerken wir, wie wenig banal, nein, was für eine Besonderheit es ist: So eine dünne Kalkschicht und dahinter alles, was neues Leben braucht? Sprichwörtlich zerbrechlich und doch eine der stabilsten Konstruktionen der Natur?  Und rollt nicht richtig, dafür kann es fliegen. Haben japanische Forscher rausgefunden.

Ein echtes Wunderwerk also. Kein Wunder, dass Zar Alexander III seiner Gattin ein rein aus Gold gefertigtes Ei schenkte, in dem eine Henne (sic!) versteckt war. Die Begründung der Fabergé-Kunst und bis heute ein Weg, eine Frau in Entzückung zu versetzen.

Und damit landen wir bei der symbolischen Bedeutung des Eis. Jedes trägt eine einzigartige Überraschung in sich. Eine neue Verheißung. Ein Versuch, sich selbst neu zu erfinden. So wie werdende Eltern versuchen den gewölbten Bauch mit Blicken zu durchdringen und auf das vorbereitet zu sein, was da kommt.

Und bei der Frage, woher unser Leben überhaupt kommt, dem Urknall, der Henne oder dem Ei … da streikt dann unser Geist. Das Ei vermag uns das flüchtige Wunder unserer Existenz vor Augen zu führen. Je nachdem kann das Ei Hoffnung schenken oder in eine tiefe Depression stürzen – darüber, dass es in Wirklichkeit nur eine Richtung in unserem Leben gibt, nämlich die in die Zukunft. Und dass die Vergänglichkeit unabdingbar damit einhergeht. So transzendieren wir ins Metaphysische - und wünschen uns die Wiederauferstehung.

Und während wir den Osterstrauch mit den bemalten Eiern schmücken, erkennen wir durch sie die kleinen Wiederauferstehungen, die wir in unserem Leben erfahren. Egal wie kalt der Winter war, es kommt ein neuer Frühling. Das Ei ist daher die perfekte Leinwand für die Zuversicht, die wir auf sie malen. Und damit nicht umsonst ein immer wieder genutzter Ausgangspunkt für Designentwürfe. Ob die 50 Fabergé Eiern des Zaren, Jeff Koons‘ Hochglanzkunst, Sitzgelegenheiten des Herrn Jacobsen oder die Schokovariante, die gleich drei Wünsche auf einmal erfüllt. Jedes Objekt ein Entwurf seines Kreativen, stets mit der Zuversicht etwas Neues zu schaffen, das Leben zu erleichtern oder sich selbst zu verwirklichen.

Es gibt kein Ding, das wir nicht ohne irgendeine damit verbundene Zuversicht schaffen. Ob Menschen oder Hühner.

Wir bei spry glauben, dass Zuversicht die wahre Inspiration ist. Und dieser Zuversicht wollen wir in dieser Rubrik in Zukunft auf den Grund gehen. Heute mit dem Ei. Denn nicht passt besser zur Ausgabe 1 im Frühling 2023.

Frohe Ostern :)

Und wenn Ihr Lust auf mehr habt: Die spry Markenkolumne in den vollständigen Ausgaben mit News rund um Menschen und Marken aus Produkt- und Interiordesign, Möbel und Architektur.